Anfrage | Politische Abstimmungsempfehlungen durch die Verwaltung

Offenbar durch ein Versehen der Verwaltung wurde vor der Kreistagssitzung am 22.04.23 eine Sitzungsmappe im digitalen Informationssystem des Kreistages veröffentlicht, die neben der üblichen Zusammenstellung von Vorlagen auch ausführliche Stellungnahmen der Verwaltung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten enthielt.
Die anscheinend geübte Praxis der systematischen Bereitstellung solcher Stellungnahmen war bisher zumindest für die Oppositionsfraktionen völlig unbekannt. Besonders irritiert, dass in den Stellungnahmen über die fachliche oder rechtliche Bewertung hinausgehend auch explizit das Abstimmungsverhalten samt Begründung desselben detailliert vorgegeben werden.
Der Kreistag ist das demokratisch legitimierte Hauptorgan das Landkreises. Ihm obliegt die Aufgabe, die Kreisverwaltung zu überwachen. Umso mehr verwundert es sehr, wie und auf wessen Weisung hin die Verwaltung diese Abstimmungsempfehlungen offenbar für eine bestimmte Zielgruppe bereitstellt. Wenn politische Entscheidungen dadurch de facto nicht im demokratisch legitimierten Kreistag getroffen, sondern mittelbar durch Handlungsanweisungen der Verwaltung wesentlich vorbestimmt werden, stellt dies das demokratische Prinzip, die Unabhängigkeit des Kreistages und die freie Ausübung des Mandats ganz erheblich in Frage. Eine über die fachliche Einschätzung hinausgehende politische Bewertung durch die Verwaltung überschreitet nach Ansicht der Anfragestellungen deren Kompetenz und muss durch den Landrat als leitenden Verwaltungsbeamten der Kreisverwaltung unterbunden werden.

  • Beigefügt ein beispielhafter Auszug aus der fraglichen Sitzungsmappe zu TOP 10 (s. PDF)

Der Kreisausschuss wird um Auskunft gebeten: 

  1. Ist es regelmäßige Praxis, dass die Verwaltung im Main-Taunus-Kreis zu Inhalten der Sitzungen des Kreistages Stellungnahmen abgibt? Gilt dies auch für weitere Sitzungen von Kreisgremien?
  2. Ist es dabei üblich, dass die Verwaltung explizite Abstimmungsempfehlungen vorgibt?
  3. Wer erhält üblicherweise diese Stellungnahmen der Verwaltung und zu welchem Zeitpunkt?
  4. Wer hat die Verwaltung hiermit beauftragt, insbesondere mit dem Aussprechen der expliziten Abstimmungsempfehlungen, und seit wann wird dies so gehandhabt?
  5. In welchem Grad wurde in der laufenden Wahlperiode diesen Abstimmungsempfehlungen im Kreistag tatsächlich entsprochen und durch welche Fraktionen?
  6. Wie bewertet der Kreisausschuss die Praxis und den aufgeworfenen Vorwurf der Kompetenzüberschreitung der Verwaltung gegenüber dem Kreistag?

Weitere Informationen und Gremienlauf