Ohne Not gefährde die Landesregierung in der dritten Änderung des Hessischen Landesentwicklungsplans 2000 das durchgeklagte und gesicherte Nachtflugverbot durch eine Umformulierung und schaffe neue Fakten. Die bisherige Formulierung muss bestehen bleiben und das bislang unantastbare Nachtflugverbot soll damit weiter erhalten bleiben, fordert dagegen die SPD. „Hier muss der Kreisausschuss jetzt klar Stellung beziehen“, mahnt Antenbrink und erklärt: „Die Änderung der Formulierung mag vielen unwesentlich erscheinen, doch gilt es die rechtlichen Auswirkungen zu bedenken. Vielen Verantwortlichen scheint die Brisanz noch gar nicht bewusst. Umso wichtiger, dass wir vor dem Ende der Frist zur Stellungnahme im Juli dem Thema endlich die notwendige Öffentlichkeit und Bedeutung geben und eine eindeutige Position des Main-Taunus-Kreises zum Wohle der hier lebenden Menschen einfordern. Auch die Kreiskoalition muss hier Farbe bekennen und sich für die Menschen im Kreis einsetzen, auch wenn das im Zweifel gegen ihre Parteifreunde in der Landesregierung geht.“ Von der Dringlichkeit ihres Eilantrages überzeugte die SPD-Kreistagsfraktion rasch die anderen Fraktionen des Kreistages, wenngleich die Kreiskoalition aus CDU, FDP und Grünen darauf besteht, ihre Haltung bis zu einer anberaumten Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 26. Juni zu klären. Dort soll die im Rahmen des Verfahrens vorgesehene Stellungnahme des Main-Taunus-Kreises abschließend beraten werden.
Unterdessen erläuterte Antenbrink die Bedeutsamkeit der Umformulierungen in der 3. Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000: Die letzte Änderung des Landesentwicklungsplans 2007 hatte im Zeichen der Auseinandersetzung um den Ausbau des Frankfurter Flughafens gestanden. Der Schutz der Nachtruhe war dabei ein zentrales Zugeständnis des Hessischen Landtages für die belasteten Anwohner. Bisher gilt der im Landesentwicklungsplan formulierte Grundsatz: In den Verfahren nach dem Luftverkehrsgesetz ist aus Rücksichtnahme auf die besonders schutzbedürftige Nachtruhe der Bevölkerung ein umfassender Lärmschutz für die Kernstunden der Nacht von herausragender Bedeutung. Dieser stark formulierte Grundsatz wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof und vom Bundesverwaltungsgerichtshof bestätigt.
Er schränkt nach Meinung der höchsten Gerichte den Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde für die Betriebsregelungen des Flughafens in den Kernstunden der Nacht sehr weit – auf annähernd null – ein, wodurch ein effektives Nachflugverbot gewährleistet wird. „Dieser Grundsatz hat den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern rund um den Frankfurter Flughafen das Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr gebracht, so dass sie wenigstens in diesen Nachstunden weitgehend ungestört schlafen können“, betont Antenbrink, „Klar ist das Nachtflugverbot nur ein Schritt zur Entlastung der Menschen, aber ohne diesen Grundsatz im derzeit gültigen Landesentwicklungsplan gäbe es heute gar kein Nachtflugverbot. Die Auswirkung wären Nachtflüge wie in der Zeit zuvor, auch auf der neuen Landebahn Nordwest, mit unmittelbaren Folgen für den Main-Taunus-Kreis.“
Mit diesem bestehenden Grundsatz soll nun in der anstehenden Änderung ein neues Ziel konkurrieren: Die Rücksichtnahme auf die Nachtruhe der Bevölkerung, insbesondere in den Kernstunden der Nacht, ist für den Betrieb des Flughafens Frankfurt/Main von herausragender Bedeutung. Lässt man den ungewöhnlichen Umstand außer Acht, dass zum selben Inhalt „Ziel“ und „Grundsatz“ nebeneinanderstehen, muss aber beachtet werden, dass Zielbestimmungen in den Landesentwicklungsplänen höher gewichtet werden als Grundsatzbestimmungen. In der neuen höhergewichteten und schwächer formulierten Zielbestimmung gehen zwei entscheidende Kernpunkte verloren: Keine Rede ist mehr von der besonderen Schutzbedürftigkeit der Nachtruhe der Bevölkerung. Zugleich wird der Bezug auf die zugrundeliegenden Verfahren nach dem Luftverkehrsgesetz gestrichen, der eine Berücksichtigung sicherstellte.
„Wenn die Formulierung so kommt, hebelt sie die rechtssichere Grundsatzbestimmung zum Nachtschutz aus“, ahnt Antenbrink, „und das ohne Not. Was hat Hessens grünen Wirtschaftsminister Al-Wazir bewogen, diesen für die Menschen in unserer Region so wichtigen Grundsatz zur Disposition zu stellen?“ Zumal die Umformulierung an einer weiteren Stelle des Landesentwicklungsplans noch deutlich schärfer als bisher die herausgehobene internationale Bedeutung des Frankfurter Flughafens und die Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit betont. „Ein zukünftig geschwächter Grundsatz zum Schutz der Nachtruhe und eine stärkere Betonung der Wettbewerbsfähigkeit im Landesentwicklungsplan eröffnen so Spielräume bei weiteren Vorhaben am Frankfurter Flughafen für eine neue gerichtliche Abwägung, die dann nur noch zu Lasten der betroffenen Anwohner und deren Nachtruhe ausgehen kann“, folgert Antenbrink.
An eine unbeabsichtigte Änderung mag Antenbrink daher nicht wirklich glauben: „Der Flughafen hat in der Vergangenheit nie etwas dem Zufall überlassen. Wohl auch nicht an dieser Stelle, wenn sich jetzt weitgehend unbemerkt die Prioritäten verschieben. Hier werden wieder einmal die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dem Flughafen geopfert. Jahrelang haben sie für das Nachtflugverbot gekämpft und mit unscheinbaren Umformulierungen soll nun auf leisen Sohlen von der Landesregierung sein schleichendes Ende eingeleitet werden.“ Betrachte man die rückläufigen Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen und die Planungen, verstärkt auf Billigflieger zu setzen, erscheine es umso weniger nachvollziehbar, dass die Landesregierung gerade jetzt das Nachtflugverbot riskiere.
- Zugehöriger Dringlichkeitsantrag