Daraus eine Zustimmung zu den Inhalten des Kifög zu machen ist unredlich“, sagte Merz. Viele kommunal Verantwortliche lehnten den Entwurf des Kifög aus den gleichen Gründen ab wie die SPD-Landtagsfraktion. „Ihnen allen ist bewusst, dass wir nur mit mehr Qualität in der frühen Bildung einen durchgreifenden Wandel hin zu mehr Chancengerechtigkeit bekommen werden“, erklärte Merz.
„Das Kifög wird seiner selbst gesetzten Zielsetzung nicht gerecht“, erklärte Michael Reuter, Bürgermeister von Lohfelden. Er könne als gelernter Erzieher und ehemaliger Abteilungsleiter, zuständig für den Bereich Kindertagesstätten, gut beurteilen, dass dieser Entwurf nicht dazu beitragen werde, frühe Bildung in der heute notwendigen Qualität zu fördern. „In meiner Gemeinde haben wir bereits vor zehn Jahren festgelegt, pro Gruppe zwei Fachkräfte einzusetzen. Als Kommune mit knapp 14.000 Einwohnerinnen und Einwohnern finanzieren wir in Zukunft inklusive der U3-Betreuung einen Anteil von ca. 3 Millionen Euro jährlich für unsere Kinderbetreuung. Das sind etwa 12 Prozent unseres Gesamthaushalts“, so Reuter. Die Diskussion um das Kifög komme zum völlig falschen Zeitpunkt und sei schlecht vorbereitet. „Die gesamte Fachwelt und die Träger laufen Sturm gegen das Gesetz. Und gleichzeitig sollen die Kommunen für ausreichend Plätze im U3-Bereich sorgen, denn zum 1. August 2013 greift der Rechtsanspruch. Es ist äußerst schwer, Träger davon zu überzeugen, neue Plätze anzubieten, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen derart verschlechtert werden“, kritisierte Reuter.
Axel Weiss-Thiel, Sozialdezernent der Stadt Hanau, äußerte sich ebenfalls kritisch zum Kifög-Entwurf. „Der vorliegende Entwurf berücksichtigt nicht die gesellschaftlichen Notwendigkeiten. Er wird weder den heutigen Erfordernissen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerecht, noch denjenigen zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund oder solchen mit Behinderungen. Die Kommune, die Ganztagsplätze im erforderlichen Zeitumfang anbietet, wird mit einer völlig unzureichenden Förderung bestraft. Unsere Kitas bieten in der Regel eine tägliche 10-Stunden-Öffnungszeit an, gefördert werden aber nach Kifög-Entwurf maximal 35 Stunden pro Woche. Wir haben kleinere Gruppen mit maximal 20 Kindern eingerichtet, um der schwierigen Sozialstruktur gerecht zu werden, auch dafür werden wir durch geringere Förderung bestraft“, sagte Weiss-Thiel. Qualität in der Kinderbetreuung könne aber nicht allein durch die Kommunen bezahlt werden. „Wir verzeichnen eine strukturelle Unterfinanzierung durch das Land und dies seit Jahren. Damit muss endlich Schluss sein“, forderte Weiss-Thiel.
„Der vorliegende Entwurf des Kifög ist in seiner Struktur so angelegt, dass die Qualität von Kinderbetreuung den Kommunen als freiwillige Leistung überantwortet wird“, so Gisela Stang, Bürgermeisterin von Hofheim. Damit drohe eine Kinderbetreuung nach Kassenlage. Reiche Kommunen könnten sich mehr leisten als solche, die unter Schutzschirmbedingungen gestalten müssten. „Damit wird gegen den Grundsatz gleichwertiger Lebensbedingungen verstoßen. Gerade dort, wo wir aufgrund der schwierigen sozialen Bedingungen kleine Gruppen bräuchten, wird es sie nicht geben können, weil sich dies die betroffenen Kommunen nicht leisten können“, erläuterte Stang. Darüber hinaus fehle im Kifög-Entwurf eine Regelung zur Inklusion von Kindern mit Behinderungen völlig. „Hier verweist das Land auf den Abschluss einer Rahmenvereinbarung zwischen Kommunen und Trägern. Der Verweis läuft ins Leere, denn bereits jetzt wenden mindestens zwei kommunale Gebietskörperschaften die Rahmenvereinbarung nicht mehr an. Wir brauchen im Gesetz eine verbindliche Regelung zur Ausgestaltung der Gruppen. Kinder mit Behinderungen können nicht in Gruppen mit 25 Kindern aufgenommen werden“, forderte Stang.
Für den ländlichen Raum sieht der 1. Kreisbeigeordnete des Schwalm-Eder-Kreises Winfried Becker erhebliche Probleme, sollte das Kifög in seiner jetzigen Form verabschiedet werden. „Wir haben zum einen die Regionen, in denen wir die Gruppen überhaupt nicht füllen können, um den maximalen Zuschuss zu bekommen. Besonders hart wird es die Einrichtungen treffen, die zwei Gruppen mit etwa 16 oder 18 Kindern haben. Diese Einrichtung bekommt dann noch nicht einmal den Extra-Zuschuss für kleine Kitas, denn dieser ist auf eingruppige Einrichtungen beschränkt“, stellte Becker fest. Im U3-Bereich käme es darüber hinaus zu einer Anhebung der Gruppengröße. „Bisher lag die Gruppengröße in der Krippe bei 8 bis 10 Kindern, zukünftig können es bis zu 12 sein“, so Becker. Er forderte darüber hinaus, dass eine gesetzliche Regelung berücksichtigen müsse, dass Plätze für nachrückende Kinder freigehalten werden könnten. „Wir haben einen Rechtsanspruch zu erfüllen. Um diesem gerecht zu werden, können wir nicht immer im Volllastbetrieb fahren.“
„Das Land muss endlich seiner Verantwortung in Sachen Kinderbetreuung gerecht werden. Der Bund hat in den letzten Jahren einen großen finanziellen Anteil am Ausbau U3 geleistet. Die Kommunen zahlen Jahr für Jahr den Löwenanteil an der Kinderbetreuung. Das Land muss Standards festsetzen, die für gleichwertige Bedingungen in Hessen sorgen. Darüber hinaus brauchen wir bessere finanzielle Rahmenbedingungen für die Kommunen. Die Kürzung im Kommunalen Finanzausgleich um 340 Millionen Euro hat den Kommunen jeglichen finanziellen Spielraum genommen. Dieser hätte z.B. für eine verbesserte Qualität in der Kinderbetreuung genutzt werden können“, stellte Gerhard Merz fest. CDU und FDP lobten sich stets selbst für die angeblich hohen Landesmittel, dabei stammten diese zumeist aus Bundesmitteln bzw. dem Kommunalen Finanzausgleich. „Wenn man dann noch die verpflichtende Erstattung aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs berücksichtigt, bleibt an Landesmitteln nicht mehr viel übrig. Ab 2015 sind es gerade noch 38,9 Millionen Euro. Das reicht nicht, um eine ordentliche Qualität zu gewährleisten“, erklärte Merz. Er forderte die Regierungsfraktionen erneut dazu auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. „Das Kifög ist ein schlechtes Gesetz, die Ablehnung kommt von allen Seiten. Träger, Fachwelt, Eltern, Berufsverbände – alle stellen diesem Gesetzentwurf ein miserables Zeugnis aus“, so Merz. Sollten CDU und FDP sich nicht noch eines Besseren belehren lassen, werde dies wahlentscheidend sein. „Wir werden das Kifög nach gewonnener Wahl aufheben und mit allen Verantwortlichen gemeinsam einen neuen Entwurf verhandeln. Übergangsweise werden dann die jetzt noch gültige Mindestvoraussetzungen in Kraft treten müssen“, so Merz.